Da sein, zuhören, beten

Für die letzte Phase des Lebens setzen Sterbende und ihre Familien zunehmend auf die Hilfe von Hospizen. Die Krankenschwester und Palliativ-Pflegerin Birgit Hofmeister stellt ihre Arbeit vor.

Unsere Aufgabe
Wir begleiten schwerkranke und sterbende Menschen sowie deren Angehörige in der letzten Lebensphase. Die meisten wollen zu Hause in der vertrauten Umgebung sterben, aber die Angehörigen haben oft große Bedenken, die Sterbenden nicht ausreichend versorgen zu können oder etwas falsch zu machen. Diese Unsicherheiten wollen wir überbrücken, indem wir einfühlsam begleiten, beraten, ein tragfähiges Versorgungsnetz auf bauen sowie als Ansprechpartner in Krisensituationen bereitstehen. Dadurch können wir Sicherheit vermitteln und unnötige Krankenhauseinweisungen am Lebensende vermeiden.

Meine Arbeit
Als eine von drei Koordinatorinnen unseres Hospizdienstes mache ich Erstbesuche bei den Patienten; dabei zeige ich ihnen und den Angehörigen die Möglichkeiten einer individuellen Betreuung und Begleitung auf. Unsere Beratung umfasst Fragen zu Schmerztherapie und Symptomkontrolle, Ernährung und Flüssigkeitsgabe, lindernde pflegerische Maßnahmen ebenso wie Angst machende Veränderungen, immer in enger Zusammenarbeit mit Ärzten, Sozialstation, Krankenhaus, Heim, Seelsorgern und anderen, die an der Versorgung der Kranken beteiligt sind. Auf Wunsch stelle ich auch einen „passenden“ Hospizbegleiter vor, der dann die eigentliche Begleitung übernimmt. Diese ehrenamtlichen Mitarbeiter, aktuell sind es 46, sind das eigentliche Herzstück unseres Dienstes.

Die Begleiter
Die Frauen und Männer bringen ihre Zeit mit und stellen sich ganz auf die Wünsche und Bedürfnisse des Kranken ein. Die Begleitung sieht deshalb individuell ganz unterschiedlich aus, die ganze Band­ breite reicht vom gemeinsamen Kaffeetrinken, Spazierengehen und Vorlesen über kleine Handreichungen wie Einkaufen und Gespräche, die auch schwierigen Themen nicht ausweichen, bis zum „Da­sein“, zur Sitz­ wache am Krankenbett, zum „Mit-Aushalten“ der Situation, Singen und Beten. Oft erleben wir, dass Sterbende über Ängste und Zweifel im Blick auf ihren Tod nicht mit ihren Angehörigen sprechen können oder wollen, weil sie fürchten, sie damit zusätzlich zu belasten. Mit einem „neutralen Dritten“ zu sprechen, fällt vielen leichter. Viele möchten ihr gelebtes Leben noch einmal reflektieren, über das Erlebte, das Schöne und das Traurige erzählen, Sinn finden und spüren, „was von mir bleibt“. Es tut ihnen gut, einen Zuhörer zu haben.

Die Hospizbegleiter geben nichts vor, sie stellen sich immer wieder auf die Situation und die Wünsche der Patienten ein. So wollen wir trotz schwerer, fortgeschrittener Erkrankung ein lebenswertes, selbstbestimmtes und würdiges Leben ermöglichen.

In unseren Ausbildungsgruppen begegnen wir Menschenganz unterschiedlicher beruflicher Herkunft, von der Hausfrau über den Lehrer bis zum Architekten, von 27 bis 75. Eine auffallende Gemeinsamkeit: Sie alle wurden schon irgendwie mit Tod und Sterben konfrontiert. Sie bereiten sich in einem umfangreichen Kurs auf ihre verantwortungsvolle Tätigkeit vor; sie lernen auch, sich gut selbst zu reflektieren und auf ihre eigenen Grenzen und Möglichkeiten zu achten. Zudem sind unsere Hospizbegleiter zu regelmäßigen Supervisionen verpflichtet.

Die Angehörigen
Die Hospizbegleitung hilft auch den Angehörigen der Sterbenden. Viele sind durch die lange Pflege und die Sorge um die Sterbenden körperlich und psychisch ausgelaugt; die Anwesenheit eines Hospizbegleiters bietet ihnen die Möglichkeit zu einer Auszeit – einmal ausschlafen zu können, aus dem Haus zu gehen und so weiter. Die Angehörigen brauchen genauso Zuhörer für die eigenen Ängste und Sorgen im Blick auf den bevorstehenden Abschied. Oft liegt noch viel Unausgesprochenes im Raum; die Begleiterinnen geben dann auch Impulse, darüber mit dem Kranken zu sprechen und offene Dinge zu regeln. Wir erleben dabei immer wieder, dass Kranke, die zuvor sehr unruhig waren, zu einer inneren Ruhe finden.

Die Vorbereitung
Es gibt in vielen Vordrucken und Mustern einer Patientenverfügung einen eigenen Passus, in dem man festlegen kann, dass man für den Fall des eigenen Sterbens gerne die Unterstützung durch einen Hospizdienst haben möchte. Diesen Wunsch sollte man auch mit den engeren Angehörigen besprechen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich eine frühe Beschäftigung mit dem eigenen Sterben und Tod als Vorbereitung immer lohnt. Menschen, die das getan haben, lassen leichter los und können leichter gehen. Denn der Tod trifft sie nicht mehr ganz unvorbereitet – auch wenn die Akzeptanz und der Umgang damit „im Ernstfall“ immer eine Herausforderung bleiben.

Mein Resümee
Ich bin immer wieder berührt, wie viel Kraft, Energie und Fürsorge Familien auf bringen, um es Sterbenden in dieser letzten Lebensphase so angenehm wie nur möglich zu machen. Die Versorgung eines Sterbenden ist für die ganze Familie eine sehr wertvolle und intensive Zeit, allerdings auch eine sehr schwere, mühsame, belastende Aufgabe, eine Herausforderung, vor der viele zurückschrecken. Ich möchte Angehörige ermutigen, sich dieser Aufgabe zu stellen und sich dazu Unterstützung zu holen. Mittlerweile gibt es in fast jedem Landkreis Hospizinitiativen, die mit der regionalen Versorgungsstruktur vernetzt sind. Vieles, was zunächst nicht machbar erscheint, wird mit dieser Hilfe doch noch möglich.

Das Engagement im Hospiz hat meinen Blick auf das eigene Sterben, den eigenen Tod sehr verändert. Mir ist täglich bewusst, dass mein Leben endlich ist, und ich versuche, jeden Tag bewusst und dankbar zu leben.

Ich durfte viele Menschen begleiten und  habe  viele Tote gesehen. Dabei erlebe ich immer wieder, wie in den Stunden des Abschiedes trotz all dem Schweren und Traurigen ganz viel Ruhe und Frieden spürbar wird, wie sich das Gesicht eines Verstorbenen im Tod entspannt und wie die Angehörigen rückblickend diese letzte gemeinsame Lebenszeit als wertvollen Teil des Lebens beschreiben.

Für mich hat der Tod den Schrecken verloren, den er früher einmal hatte.

Birgit Hofmeister

Birgit Hofmeister ist Krankenschwester mit der Zusatzqualifikation Palliative Care und arbeitet als Koordinatorin beim ambulanten Hospiz- und Palliativberatungsdienst St. Elisabeth in Dillingen/Donau. Sie ist verheiratet und hat zwei Söhne.